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    "SCHREIB ALLES WAS WAHR IST AUF"
Ingeborg Bachmann, Paul Celan - Herzzeit Der Briefwechsel
Ingeborg Bachmann - Hans Magnus Enzensberger
  Herausgegeben von Hubert Lengauer. Mit Fotografien und Faksimiles
   
   
  Piper Verlag, München und Suhrkamp Verlag, Berlin 2018.
    479 Seiten - ISBN: 978-3-518-42613-5
     
     
  Die Eine: eine Lyrikerin und Cover-Girl des Spiegels 1954. Der Andere: der »zornige junge Mann«, Netzwerker, zugleich Strippenzieher im Literaturbetrieb, dessen Lyrik-Karriere 1957 startet. Ingeborg Bachmann (Jahrgang 1926) und Hans Magnus Enzensberger (Jahrgang 1929) lernen sich im Oktober 1955 bei der Tagung der Gruppe 47 in Tübingen kennen. Nach einem erneuten Zusammentreffen anlässlich einer Gesprächsrunde zur Literaturkritik in Wuppertal im Oktober 1957 kommt es am 27. November 1957 zur ersten (brieflichen) Kontaktaufnahme: Die Initiative geht von Enzensberger aus. Danach setzt eine Korrespondenz ein, von der insgesamt 130 Stücke überliefert sind: 53 von Bachmann, 77 von Enzensberger. Die beiden emblematischen Figuren, die Ikonen, der deutschen Nachkriegsliteratur tauschen sich aus über Literatur im Allgemeinen wie über deren Details, über eigene Vorhaben (kritischer wie großer Moment: die Debatten um das legendäre Böhmen liegt am Meer, dem von Bachmann publizierten Gedicht in Enzensbergers Kursbuch), reflektieren über das Zeitgeschehen, polemisieren gegen alles und halten sich mit ihrem Urteil auch über die lieben Kollegen nicht zurück. Dabei prallen die unterschiedlichen (Schreib-) Charaktere aufeinander: Auseinandersetzungen, die der eine pragmatisch-ironisch ausficht, die andere prinzipiell. Der bisher unpublizierte und unbekannte Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Hans Magnus Enzensberger macht nacherlebbar, wie zwei der überragenden Autoren nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur die Welt, die Literatur, den Betrieb, sondern auch sich selbst darstellen und gesehen werden wollen.
    Externer Linkaus der Ankündigung des Suhrkamp Verlages
     
  Leseprobe
     
     Leseprobe: Hans Höller/Irene Fuß Vorwort, S. 7 - 20; Briefe, S. 13 -19.
    »alles was wahr ist«« meint aber nicht die Wahrheit, es geht in diesem Briefwechsel um die vielfältige, vielstimmige Wahrheit des Lebendigen, um die Liebe zum Leben und um die Krankheit, die zum Tod führt, eines steht neben dem andern, plötzlich kann sich alles verwandeln, wenn das richtige Wort eintrifft, von dem sich Bachmann getragen fühlt, oder wenn sie selber zu einem Wort findet, das ihr ganz entspricht, und manchmal bricht bei ihr in den Briefen auch eine unbändige Lebenslust hervor, ein »che gioia vivere«.
      aus dem Vorwort [1]
     
     
  Buchbesprechungen
     
      Literaturkritik - Ausgabe Nr. 1 / Januar 2019 - Lothar Struck
    Externer Link  Robustheit trifft Verletzlichkeit
    Der Briefwechsel zwischen Hans Magnus Enzensberger und Ingeborg Bachmann zeigt zwei grundlegend verschiedene Temperamente im Literaturbetrieb der 1960er Jahre
   
    Deutschlandfunk - Archiv / 09.12.2018 - Katharina Teutsch
    Externer Link  Annäherung zweier Ungleicher.
    "[...] Der Briefwechsel Bachmann/Enzensberger ist auch ein interessantes Dokument des Scheiterns dieser europäischen Sprachutopie. Im Nachwort des Herausgebers heißt es, die Vierteljahresschrift Kursbuch verdanke sich der Frustration, die dieses Abenteuer hinterlassen habe. Was wurde darin aber genau verhandelt? Europäisch denken, fordert Bachmann in ihrem Beitrag für Gulliver, hieße eben nicht bloß den europäischen Versöhnungskurs der Politik literarisch nachzuäffen. Europäisch denken hieße vor allem: utopisch denken! „... dass die Risse eines Tages wirklich aufspringen (...) als Risse auch im Gebrauch von Sprache, die nicht nur den Schreibenden betreffen, aber den Schreibenden zuerst betreffen, weil er nicht mit einem nationalen Fertigprodukt ‚Sprache‘ oder einem internationalen Wunschprodukt ‚Sprache‘ umgehen kann und es gebrauchen kann, sondern, von ihr geprüft und sie prüfend, ein Abenteuer mit der Sprache hat, dessen Ausgang ungewiss ist.“ Eine „poetische Weltsprache“, die nicht zuletzt von Übersetzungen lebt, wird hier proklamiert. Und nach einer legendären Pariser Konferenz 1963 als gescheitert erklärt. Enzensberger fasst es in einem Protokoll an Ingeborg Bachmann und Uwe Johnson, der die Redaktion der Zeitschrift übernommen hatte, zusammen: „gullivers planung war ein gewaltstreich, der versuch einer antizipation à presque tout prix. das ergebnis zeigt, dass dieser gewaltstreich die reale situation nicht hat verändern können. diese situation ist durch erhebliche entfernungen, durch große fremdheit bestimmt. (...) sie läßt eine kongruenz dreier zeitschriften in drei ländern (noch) nicht zu. dagegen erlaubt und gebietet sie (glaube ich) überschneidungen.“
     
    Deutschlandfunk Kultur / 20.10.2018 - Helmut Böttinger
    Externer Link  Der Stratege und die Sucherin.
    "[...] Der Briefwechsel mit der Geliebten - die bald zur intellektuellen Freundin wird, bis Ingeborg Bachmann, selber krisengeschüttelt, das Briefeschreiben 1961 aufgibt - zeigt recht deutlich, warum diese zwei Menschen, die einander zeitweise so unendlich viel zu sagen hatten, die sich je nach Lebens- und Werkphase so enorm auch poetisch inspiriert und befruchtet haben, kein Paar auf Dauer haben sein können. Wie erleichternd wäre es, könnte man die schiere Promiskuität dafür verantwortlich machen. Im August 1949 schreibt Bachmann selbstbewusst: "Du wirst Dir ja denken können, dass die Zeit seit Dir für mich nicht ohne Beziehungen zu Männern vergangen ist. ... Aber nichts ist zur Bindung geworden, ich bleibe nirgends lang, ich bin unruhiger als je und will und kann niemandem etwas versprechen."
     
    Frankfurter Allgemeine Zeitung / 01.11.2018 - Andreas Kilb
    Externer Link Was zu tun ist und warum.
     
    AVIVA Berlin. Online Magazin für Frauen / 20.02.2019 - Silvy Pommerenke
    Externer Link Ingeborg Bachmann - Hans Magnus Enzensberger. Schreib alles was wahr ist auf. Briefe.
    "Neben der persönlichen Zuneigung verband die beiden AutorInnen vor allem aber die Liebe zur Literatur und zur Sprache. Nicht nur zur deutschen, sondern auch zur italienischen. So finden sich denn auch einige Passagen auf Italienisch wieder, in denen sich Enzensberger poetisch auslässt oder in denen Bachmann Schlussworte findet. Vor allem für die Literaturwissenschaft sind die Auskünfte, die die beiden über ihre aktuellen Projekte in den Briefen wiedergeben von großer Bedeutung, oder wenn sie sich gegenseitig Rat geben und einander motivieren, wenn der kreative Prozess in´s Stocken gerät.
Leider sind die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Schriftstücken bisweilen recht groß, und in den ersten Jahren wird selten in einem Brief Bezug auf einen anderen genommen, sodass es stellenweise beschwerlich für die Leserin ist, einen Zusammenhang herzustellen. Glücklicherweise ändert sich das über die Dauer des Briefwechsels, zudem sorgt der Herausgeber Hubert Lengauer durch seinen umfassenden Stellenkommentar dafür, dass die meisten Leerstellen geschlossen und offene Fragen beantwortet werden.
Der eigentliche Briefwechsel zwischen Bachmann und Enzensberger füllt nur etwa die Hälfte des Buches, die andere wird dem Anhang gewidmet, wo sich neben dem bereits erwähnten Stellenkommentar unter anderem einige Portraits der beiden AutorInnen und Faksimiles der Briefe wiederfinden. Auch das äußerst umfangreiche Nachwort ist des Lesens Wert, denn auf fast siebzig Seiten setzt sich Hubert Lengauer dezidiert mit der Beziehung von Bachmann und Enzensberger auseinander. Für das Textverständnis des Briefwechsels ist es also durchaus sinnvoll, das Nachwort zuerst zu lesen.
Im Sommer 1968 bricht der Briefwechsel plötzlich ab. Vielleicht, weil andere Briefe nicht mehr erhalten sind, oder weil sie aus anderen Gründen nicht veröffentlicht wurden. Vielleicht gab es aber auch nichts mehr zu sagen zwischen der Lyrikerin und dem "zornigen jungen Mann". Hubert Lengauer vertritt die These, dass die beiden Autor*innen aus politischen Gründen "auseinandergedriftet waren". Der Briefwechsel schließt mit zwei Briefen Bachmanns vom Oktober 1972, die sie nie abgeschickt hat, und in denen sie sich zu dem jüngsten Roman Enzensbergers "Der kurze Sommer der Anarchie" äußert. Da die Briefe nicht nur nicht abgeschickt wurden, sondern auch nur als Entwürfe vorhanden sind, hinterlässt das jähe Ende eine gewisse Leere bei der Leser*in. Der Wunsch, eine Fortsetzung des schriftlichen Austauschs zu lesen ist ebenso groß, wie er unmöglich ist: Ingeborg Bachmann starb ein Jahr darauf in Rom an den Folgen eines Brandunfalls. "
     
    tell - Magazin für Literatur und Zeitgenossenschaft / 11.11.2019
Agnese Franceschini
    Externer Link Was Briefe nicht sagen.
    Die Edition des Briefwechsels zwischen Ingeborg Bachmann und Hans Magnus Enzensberger lässt viele Fragen offen. Gerade dadurch leistet sie einem biografischen Voyeurismus Vorschub.
   
Der Ton der Briefe ist sowohl persönlich als auch literarisch-philosophisch. Ihr Leben in Rom beschreibt Bachmann 1961 etwa mit einer Anspielung auf Adornos berühmten Satz aus den Minima Moralia: «Nun, und sonst kann ich Dir noch sagen, dass es manchmal sehr schön und manchmal sehr mühsam war und dass ich froh bin, dass ich in Rom leben kann, wo man so falsch und so richtig lebt, wie man eben heute nur leben kann.»
Im Bachmanns Alltagsstil steckt Kunst: Auch das Persönliche kann mit einem literarischen Augenzwinkern erklärt werden. 1966 schreibt sie: «Zwar tu ich so, als wäre es mir genug, hier herumzudoktern an meinen Belanglosigkeiten und froh zu sein, dass ich wieder gehen und stehen kann, aber diese Täuschungen macht man nicht lang mit. Ich suche nicht nach einem Facit für eine lange Zeit, die ich ärztlich absolviere, sondern nach etwas anderem, dem Gewachsenen, das ich nicht befragen konnte. Das heisst, ich fange mich zu wundern an über meine Existenz. Denn es ist doch etwas passiert. Da bin ich nun wieder ein Schriftsteller, aber ohne Mitteilungsbedürfnis, das fällt mir auf. Dieses Bedürfnis ist mir abhandengekommen. Trotzdem schreibe ich, fange vielmehr zu schreiben an.»
Das Wort „abhandengekommen“ enthält, so erfährt man im Vorwort, eine Anspielung auf Hofmannsthals Brief des Lord Chandos an Francis Bacon. Dort heißt es: „Mein Fall ist, in Kürze, dieser: Es ist mir völlig die Fähigkeit abhandengekommen, über irgend etwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen.“ Der Brief erklärt Lord Chandos Verzicht auf Literatur. Nach Hofmannsthal kann das Individuum nicht mehr das Ordnungsprinzip der Realität sein. Das gilt nun auch für Ingeborg Bachmann, aber sie nun macht gerade deswegen mit dem Schreiben weiter. Im Zuge des Briefwechsels erweist sich Enzensberger als treuer Freund. Er versucht, Bachmann zu ermutigen und zu beraten, obwohl er ihre Krankheit nicht immer versteht. Im April 1962 schreibt er ihr:
»ich ängstige mich um deinen kopf. wenn du kannst, gib mir alle paar wochen ein zeichen, eine karte mit deinem namen drauf ist schon genug, damit ich sehe, es sind nur träume, es ist keine krankheit. ich verstehe von krankheiten nichts, um so unheimlicher sind sie für mich, ich kenne die welt nicht mehr, wenn jemand krank ist, so krank daß man davorsteht wie vor einem stein, dem man doch auch nicht helfen kann.«
     
    Welt.de / 13.12.2018 - Katharina Teutsch
    Externer Link Bachmann und Enzensberger - Kursbuch eines Flirts
    Mit dem ebenfalls weltliterarisch ambitionierten „Kursbuch“ war man bescheidener geworden. Ab 1966 handeln die meisten Briefe Bachmanns von ihren Skrupeln, Enzensberger die eingeforderten Textbeiträge zu schicken. „Wegen dem Kursbuch (...) – so denke ich, dass man eben keine Gedichte zwischen Vietnam und Südamerika unterbringen kann“, findet sie. Aber Enzensberger lässt nicht locker: „wenn du aber doch ein couvert hast, die post guter laune, das kopfweh vergangen, die schublade wiederzufinden ist, dann nimm die gedichte sogleich, will sagen jetzt, tu sie ins couvert, kleb die marken drauf – aber ob ein briefkasten in der nähe ist? hoffen wir es.“ Das Hin und Her hat Thrillerqualitäten, bei dem Poststreiks, unauffindbare Durchschläge und düstere Vorsehungen eine Rolle spielen. Doch Enzensbergers Werben hat schließlich Erfolg. Im nicht zuletzt wegen Bachmann legendär gewordenen „Kursbuch 15“ werden vier ihrer Gedichte abgedruckt. Darunter jenes, das Bachmann für ihr bestes hielt: „Böhmen liegt am Meer“. Die Korrespondenz zwischen Hans Magnus Enzensberger und Ingeborg Bachmann endet wenige Monate vor seinem Erscheinen. Es liest sich im Rückblick alles wie ein Zulaufen auf diese Art von literaturgeschichtlicher Ewigkeit, von der Ingeborg Bachmann geträumt hat. „Denn damit“, schreibt sie Enzensberger in einem ihrer letzten Briefe, „kann ich auch fremdsprachige Säle zum Schweigen bringen.“
     
    Neue Zürcher Zeitung / 03.11.2018 - Andrea Köhler
    Externer Link Ingeborg Bachmanns Augenküsse:
Die Dichterin im Briefwechsel mit Hans Magnus Enzensberger
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Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Hans Magnus Enzensberger verrät das Wesentliche nur zwischen den Zeilen. Doch er berührt durch seine unbeirrbare Zugewandtheit.
    "[...] Haben sie eine Liebesbeziehung gehabt? Wir schreiben das Jahr 1957, als der just zu Ruhm kommende 26-jährige Enzensberger der drei Jahre älteren gefeierten Dichterin Ingeborg Bachmann die ersten Zeilen zukommen lässt. Beide sind Mitglieder der Gruppe 47, in der sich die literarische Prominenz – und die politische Dissidenz – versammelt. Sie gilt als die Vorzeigefrau der nachkriegsdeutschen Literatur, er als der «zornige junge Mann», der gerade in einem bösen Text über «die Sprache des ‹Spiegel›» dem bundesdeutschen Nachrichtenmagazin die Leviten gelesen und mit seinem Gedichtband «Die Verteidigung der Wölfe» den ersten Erfolg verbucht hat."
     
     
  Pressespiegel
     
    Perlentaucher - Kultur und Literatur Online:
    Externer Link Ingeborg Bachmann, Hans Magnus Enzensberger - "schreib alles was wahr ist auf".
    [Zu Rezensionen aus: Die Welt - 08.12.2018; FAZ - 15.11.2018; Frankfurter Rundschau - 14.11.2018; Neue Zürcher Zeitung - 03.11.2018; Süddeutsche Zeitung - 23.10.2018]
     
     
  Lesungen
     
    Lesungen & Buchpräsentation: 2019
     
     

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[1] »schreib alles was wahr ist auf«. Der Briefwechsel Ingeborg Bachmann – Hans Magnus Enzensberger. Salzburger Bachmann Edition. Hrsg. von Huberg Lengauer. Piper Verlag und Suhrkamp Verlag, Berlin, München und Zürich 2018, Vorwort, S. 10 - 11.
  Wiedemann. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2008.
    © Ricarda Berg, erstellt: Juli 2025, letzte Änderung: 06.07.2025
http://www.ingeborg-bachmann-forum.de - E-Mail: Ricarda Berg