Ingeborg Bachmann Ilse Aichinger und Günter Eich |
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Aichinger spricht schon am Beginn des Briefwechsels "von dem Wirbel un dem Betrieb", den sie für "gefährlich halte, sobald er einem keine Zeit mehr lässt Heimwech zu haben und diese Verlassenheit zu spüren, die mit uns allen identisch ist" (Brief 3). In einem offenen Brief 1995 wird sie zum Wort "Literatur-Betrieb" sagen: "zwei Begriffe, die sich von ihrem Wesen her absolut ausschließen". Im Roman-Fragment Das Buch Goldmann stellt Bachmann den Literaturbetrieb in seiner vernichtenden Form dar.
Aichinger hat sich dem "Dauerauftritt" im Literaturbetrieb verweigert, der vom Schreiben wegführe. Ihre literarische Arbeit ging diesen Weg einer Verweigerung, indem sie zu immer kleineren Formen tendierte, z.B. jenen Prosaminiaturen, die sich jeder raschen Auslegung widersetzen und die sie "Maulwürfe" (Brief 38) nannte. Eine Zuschreibung, die Eich so sehr gefiel, dass ers ei für seine Kurzprosa in den sechziger Jahren übernahm. [...]
Mit den Literaturauftritten am Beginn ihrer beider Laufbahn verhielt es sich noch anders, jedenfalls haben sowohl Bachmann als auch Aichinger die Gruppe 47 im Rückblick in einem jugendlich utopischen Schein sehen können. Bachmann erinnert sich in einem Text-Entwurf vor allem an das Jungsein und an den Unterschied zum Leben im Wien der Nachkriegszeit:
Wir waren Mitte zwanzig, notorisch geldlos, [...] einige schon freie Schriftsteller, das hieß soviel wie abenteuerliche Existenzen, von denen nieman recht wußte, wovon sie lebten, von Gängen aufs Versatzamt jedenfalls am öftersten. / Es scheint, daß wir in Wien alle ziemlich wenig zu lachen gehabt haben, denn sonst wäre meine stärkste Erinnerung nicht die, eine verwandelte Ilse Aichinger zu sehen, bald angesteckt worden zu sein von etwas, das Jungsein, Lachen, Gelöstsein in einem war. [...]
Die Gruppe 47 beschreibt Aichinger im Rückblick als "Pfadfinderlager", auf das sie in ihrer Jugend so gern gefahren wäre und nie hatte fahren können; außerdem habe sich die Chance geboten, Geld zu verdienen: "Anfang Mai [1951] fahre ich warscheinlich zu einer Taggung der Gruppe 47 an den Rhein, nur, weil man dort vielleicht einen Preis gewinnen kann, den ich aber sich nicht gewinnen werde und ich dann Geld bekäme für den Sommer." Ihre Rückschau korrespondiert mit der so gelassenen wie zurückhaltenden Aufgeschlossenheit, die ihr Auftreten in der Gruppe 47 bestimmte. Dort sei Aichinger, wie sie in einem Gespräch bemerkt, dann keine Außenseiterin mehr gewesen, "aber irgendwie doch", denn: "Die Außenseiterposition besteht darin, dass ichmich nicht messen möchte." Das verlieh ihr eine merkwürdige und gleichzeitig bemerkenswerte Souveränität. Deren Wirkung strahlte durchaus auch auf die Beziehung zwischen ihr und Bachmann aus. Sie hatte Anteil daran, dass beider Anfänge nicht in eifernder Konkurrenz verliefen, sondern in anteilnehmender Aufmerksamkeit.
Bachmann sah die Chance, über die Gruppe 47 in der deutschen Literaturszene Fuß zu fassen, wo man es mit professionellen Medien zu tun hatte und außerdem weit besser bezahlt wurde als in Österreich. Selbstbewusst schreibt sie vor ihrer Lesung an ihre Familie, dass sie "vor der gesamten in- und ausländischen Presse, sämtlichen Schriftstellern [lese] und bin ausser Ilse die einzige weibliche Person und natürlich die Jüngste". Nach der Tagung wird sie berichten: "Und nun muss ich sehr viel arbeiten, damit ich alle Chancen ausnütze, die man mir gegeben hat. Mein Name ist mit einem Schlag durch alle Zeitungen gegangen [...] und es liegt jetzt nur mehr an mir, weiterzumachen. Die Verdienstmöglichkeiten sind unvergleichlich besser als in Österreich, das Leben für einen Intellektuellen viel besser, wenn ich die sogenannte Erfolgsleiter in Deutschland erklimme." [1]
Bachmanns ersten großen medialen Erfolg stellte der Preis der Gruppe 47 im Frühjahr 1953 dar, mehr noch die Coverstory des Spiegel 1954. [...]
Der Literaturbetrieb machte Aichinger und Bachmann schnell zu Konkurrentinnen. Sie waren die einzigen beiden Frauen unter den zehn Preisträgern der Gruppe 47, und gemeinsam mit Günter Eich unter den ersten vier zwischen 1950 und 1953. Dieser Druck, eine Freundschaft aufrechtzuerhalten, erforderte viel an solidarischem Bewusstsein, wie es sich im persönlichen Kontakt manifestierte: in Besuchen, Briefen, Telefonaten, und außerdem darin, sich mit dem eigenen Werk zurückzuhalten und die Kommunikation darüber so weit wie möglich auszusparen. Eines steht feset: Das Ungewöhnliche an dieser Freundschaft ist nicht, dass sie endete, sondern dass sie so lange bestand. [2] |