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Joachim Hoell

Ingeborg Bachmann
       Mehr als vier Jahre, vom Juli 1958 bis zum September 1962, währte die Liebesbeziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Der Tag der Begegnung in Paris ist das einzige vollständige Datum in 'Malina', wenn das Ich "bestürzt" auf eine alte Zeitung vom 3. Juli 1958 schaut: "Ein vielleicht rätselloser Tag, sicher ohne Kopfschmerzen, ohne Angstzustände, ohne unerträgliche Erinnerungen..., es ist ein leerer oder ausgeraubter Tag, an dem ich älter geworden bin, an dem ich mich nicht gewehrt habe und etwas geschehen ließ." Auf die Trennung mag ein anderes Datum in 'Malina' anspielen, wenn das Ich an einem 19. September einen "verdammten Ring", der "nicht mehr gelten sollte", in die Donau wirft. Am 22. September 1962, unmittelbar nach der Trennung von Bachmann, ist Frisch mit der neuen Lebensgefährtin bereits im Urlaub, wie er in 'Montauk' notiert.

     Während Frisch in 'Montauk', zwei Jahre nach Bachmanns Tod erschienen, beredt seine Version der Beziehung darlegt, hat sich Bachmann darüber ausgeschwiegen. Sein Name fällt in keinem Interview und in keinem Text. Allein in Briefen erwähnt sie ihn gelegentlich, doch nach dem Ende der Beziehung hat sie sich die Nennung seines Namens überhaupt verbeten. Anspielungen auf den ehemaligen Gefährten gibt es allerdings zahlreiche im Werk. Einige Passagen des unvollendet gebliebenen 'Todesarten'-Romans über Eka Rottwitz (auch Kottwitz) zielen deutlich auf Frisch. Jung, der "bedeutende Prosaist", entdeckte "folgende Nachteile in Eka: sie war verliebt, er war es nicht, sie war ihm zu gescheit, er hatt zwar ausgerechnet das gewollt, aber zu Hause strengte es ihn an, sie war zu erfolgreich, das hatte ihn restlos fasziniert und machte ihn krank. ... Eine weitere Unannehmlichkeit, die ihre Kehrseite hatte, war für Jung, daß Eka einen erschreckenden Wissensumfang hatte, er hätte sich abgefunden mit ihren politischen und historischen Kenntnissen, ... aber daß sie auch viel größere Quantitäten an Literatur kannte, das kam ihm wie eine Unverschämtheit vor, gegen die er ohnmächtig war, und seine anfängliche Bewunderung schlug so unvermutet in Haß um, daß er kein Mittel fand, als das zu zerstampfen, ... und so floh er erst, als er sicher war, daß dort, wo früher Eka war, ein Trümmerhaufen war, dessen Anblick unerträglich war, und daß er bestanden hatte, weil er der Stärkere war." Drei Jahre später stürzt sich Eka Rottwitz aus dem Fenster und bleibt gelähmt.
   Für Bachmann ist die Beziehung mit Frisch wahrscheinlich der schmerzhafteste Einschnitt in ihrem Leben. Nach dem vierwöchigen Krankenhausaufenthalt in Zürich über den Jahreswechsel 1962/63 ist sie wiederholt in medizinischer Behandlung. In Baden-Baden sucht sie häufig einen Psychotherapeuten auf, in St. Moritz ist sie zu Entziehungs- und Aufbaukuren im Kurhotel des befreundeten Ehepaares Auer, und in Berlin muss sie sich zwei Mal längeren Krankenhausaufenthalten unterziehen. Ihre Abhängigkeit von Alkohl und Tabletten beginnt in dieser Zeit, von einigen Psychopharmaka wird sie nie mehr loskommen. Nach einer aktiven Schaffensphase und vielen Erfolgen zwischen 1958 und 1961 ist Bachmann auch künstlerisch vollkommen gelähmt. "Aber ich bin seit zwei Jahren fast permanent krank und weiss nicht, wann es mit dem Schreiben wieder gehen wird. Es gibt kein Gedicht, kein Krümel Prosa, einfach nichts." Zu diesem Zeitpunkt - der Brief an Hans Paeschke, Herausgeber des 'Merkur', ist vom 17. August 1964 - hat sie sich allerdings gerade so weit erholt, dass sie wieder mit der Arbeit beginnen kann. Die intensive Arbeit an den 'Todesarten' setzt im Sommer 1964 ein. [1]
Ingeborg Bachmann
Deutscher Taschenbuch Verlag
München 2001
160 Seiten.
ISBN 3-423-31051-0
9,00 €
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
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[1] Aus dem Kapitel:"Schmerzen, die keinen lauten Schrei vertragen": München, Zürich, Rom: "Das dreißigste Jahr",
  in: Joachim Hoell: Ingeborg Bachmann. Deutscher Taschenbuchverlag (= dtv portrait), München 2001, S. 93 - 95.
  Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlages, © 2001 Deutscher Taschenbuch Verlag, München.
    © Ricarda Berg, erstellt: Juni 2001, letzte Änderung: 19.07.2004
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